Logo der Grünen in Kalbach-Riedberg

Grüne Kalbach-Riedberg

Impressum Datenschutz Facebook Twitter Instagram

Suchen:

Mahnwache gehen der Krieg in der Ukraine

Die erste Mahnwache auf dem Riedbergplatz.

Seit dem 1. März gibt es jede Woche eine Mahnwache gegen den Krieg und für die Freiheit der Ukraine auf dem Riedbergplatz. Dazu rufen der Ortsbeirat Kalbach-Riedberg, die örtlichen Vereine und die Kirchengemeinden gemeinsam auf. Es ist die Gelegenheit für uns, uns über den Krieg auszutauschen, Verbundenheit mit den Menschen in der Ukraine und auf der Flucht zu zeigen und ganz konkret Spenden für weitere Krankenwagen für die Kriegsgebiete zu sammeln.

Jeden Mittwoch, 19:00, Riedbergplatz

Der mittlerweile übliche Ablauf sieht eine kurze Rede vor, die von wechselnden Vertreter:innen des Ortsbeirats gehalten wird, musikalische Begleitung und eine Ansprache einer der örtlichen Kirchengemeinden.

6. Juli

Man kann Menschen nicht einfach töten. Nicht, wenn man sie als das begreift, was sie sind. Menschen wie wir, mit Eltern, vielleicht auch Kindern. Mit Hoffnungen und Ängsten, mit Höhepunkten und Niederlagen im Leben.

Deswegen geht jedem Angriff, jedem Krieg eine entscheidende Phase voraus: der Aufbau eines Feindbildes. Die eigenen Soldaten sollen glauben, dass es nicht darum geht, andere Menschen zu töten, sondern einen Feind zu besiegen, das eigene Land gegen ihn zu verteidigen – und sei es präventiv. So ist es in jedem Krieg. Oder kennt jemand ein Gegenbeispiel?

Wenn der Bundestag morgen beschließen würde, dass die Bundeswehr … Dänemark angreifen soll, dann würde wohl kein einziger Schuss fallen, weil quer über alle Ebenen, vom General bis zum Soldaten alle die Unrechtmäßigkeit sehen würden, unsere Nachbarn, mit denen wir friedlich zusammenleben, einfach anzugreifen.

Aber es gibt noch eine Steigerung für ein Feindbild. Es wird noch schlimmer, wenn man den Feind entmenschlicht. Die Worte bereiten den Weg. So war es schon vor dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust, als Juden als Ratten verunglimpft wurden und alle Völker im Osten sich der vermeintlich überlegenen „Herrenrasse“ fügen sollten.

So war es auch 1994 in Ruanda, als vor allem über einen Radiosender der Hutus die Tutsi als Kakerlaken, Schlangen, Gewürm und Mosquitos bezeichnet wurde. Man kann einen Menschen nicht einfach töten, aber gegen Kakerlaken muss man sich doch wehren, oder? Und daran muss ich denken, wenn ich Mitte März lesen muss, was der Herrscher im Kreml über diejenigen Menschen in seinem Volk denkt, die so mutig waren, den überflüssigen Krieg zu kritisieren oder sich als vereinzelte Oligarchen nicht bedingungslos hinter ihn zu stellen:

„Aber jedes Volk, und erst recht das russische Volk, wird immer in der Lage sein, wahre Patrioten von Abschaum und Verrätern zu unterscheiden. […] Und es wird sie einfach ausspucken, wie eine Fliege, die ihm versehentlich in den Mund geflogen ist, einfach auf den Bürgersteig spucken. Ich bin überzeugt, dass eine solche und natürliche Selbstreinigung der Gesellschaft unser Volk nur stärken wird.“

Gruselig, oder?

Der Spruch „Das erste Opfer in jedem Krieg ist immer die Wahrheit“ bezieht sich eben gerade nicht nur darauf, gegnerische Erfolge und eigene Verluste klein zu reden oder zu verschweigen, sondern vor allem darauf, den Gegner in eine Ecke oder auf eine Stufe zu erstellen, die es den eigenen Soldaten ermöglicht, ohne Zögern den Abzug zu drücken.

Auf das russische Feindbild von der Ukraine werde ich hier nicht eingehen. Das haben wir schon oft genug gehört und wir wissen, wie wenig an jenen Unterstellungen dran ist.

Wir haben hier in den letzten Monaten schon viele Lieder gehört, die den Frieden beschwören. Die meisten davon stammen noch aus der Zeit des Kalten Krieges, wo die Angst vor einem Dritten Weltkrieg gleichzeitig permanent präsent und doch beruhigend abstrakt und fern war. Bis zum Fall der Mauer war es gar nicht so leicht, sich vom Westen aus ein reales Bild davon zu machen, wie „die da drüben“ eigentlich sind, denn man bekam meist nur das zu sehen, was die jeweilige Propaganda zeigen und vermitteln wollte.

Zwei Lieder fallen mir ein, die bewusst versuchen, dieses abstrakte Bild der anderen Seite, dieses Feindbild, ein Stück weit einzufangen und zu entkräften.

Da ist zuerst „Russians“ von Sting aus dem Jahr 1985. Eine traurige Ballade, die dem Getöse der Staatschefs auf beiden Seiten die Hoffnung entgegenstellt, dass doch die Russen – was damals vereinfachend alle Bürger der Sowjetunion meinte – doch sicherlich ihre eigenen Kinder auch lieben würden und schon deswegen gar nicht daran interessiert sein könnten, einen Atomkrieg zu beginnen.

Und dann ist da „Leningrad“ von Billy Joel, den wir gleich hören werden. Darin stellt er die Lebenswege und Erfahrungen von sich selbst und dem russischen Clown Victor gegenüber, die beide durch Kriege, heiße und kalte, geprägt sind und in der persönlichen Begegnung erkennen, wie gleich wir uns doch letztlich alle sind.

Diesen Victor gibt es übrigens tatsächlich, auch wenn Billy Joel seine Geschichte dramaturgisch etwas zugespitzt hat. Die beiden haben sich 1987 im heutigen St. Petersburg kennen gelernt, als Joel dort eines von zwei Konzerten in der Sowjetunion gab. Victor hat tatsächlich Joels Tochter zum Lachen gebracht.

Es wird die Zeit kommen, in der wir wieder gegenseitiges Vertrauen aufbauen werden. Doch solange ein Angreifer unerbittlich und brutal Angriff um Angriff fortsetzt, muss zunächst jede weitere Eroberung gestoppt werden. Dass mein Deutschland hierzu nun endlich einen spürbaren Beitrag leistet, lässt mich leise hoffen, dass die Ukraine zumindest in weiten Teilen ihre Freiheit erhalten kann und der Wiederaufbau beginnen kann.

In den kommenden Wochen und Monaten werden wir zeigen können, dass wir weiter fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen, z. B. auch dadurch, dass wir lieber über Wege zur Einsparung von Energie nachdenken als ernsthaft bei den Sanktionen wieder zurück zu rudern. Als Gewinn winken nicht nur eine freie Ukraine, sondern auch ein gestärktes, enger verbundenes Europa. Dafür lohnen sich auch vorrübergehende Beeinträchtigungen, denn die Alternative wäre eine schleichende Unterwerfung unter einen machtbesessenen Autokraten.

Vielen Dank.

1. Juni

Warum stehen wir hier?

Wir stehen hier, weil vor über drei Monaten der russische Präsident seiner Armee den Überfall auf die Ukraine befohlen hat. Weil das ein völlig unbegründeter Angriffskrieg ist, dem schon Tausende Menschen zum Opfer gefallen sind und der Millionen in die Flucht getrieben hat.

Ok. Aber warum stehen Wir. Hier.?

Wir versammeln uns hier seit dem 1. März jede Woche, um uns gemeinsam zu versichern, dass uns der Krieg in der Ukraine tief bewegt. Das wir Anteil daran nehmen, mit welch brutaler Gewalt die russische Armee versucht, die Ukraine zu vernichten. Aber da ist noch mehr. Dieser Krieg ist uns in vieler Hinsicht viel näher als die früheren russischen Militäroperationen.

Bisher konnten wir die russischen Kriege immer schön reden und bequem ausblenden:

  • Der zweite Tschetschenienkrieg von 1999 bis 2009? War formell Teil Russlands, also „nur“ ein innenpolitischer Bürgerkrieg.
  • Georgien 2008? Da hat sich der georgische Präsident Sakaschwili provozieren lassen, die prorussischen Teilrepubliken zurückerobern zu wollen und dabei auch dummerweise russische „Friedenstruppen“ angegriffen. Selber schuld.
  • Die Annexion der Krim 2014 und Unterstützung der Separatisten von Donezk und Luhansk? War nicht so brutal wie der 2022er Krieg und die Geschichte der Krim ist ja eh irgendwie kompliziert. Lieber nicht zu lange darüber nachdenken.
  • Syrien seit 2015? Hier hat der Diktator Assad um russische Unterstützung gebeten, und dass die Angriffe auch islamistische Rebellen trafen, war uns gar nicht so unrecht. Dabei gingen 80% der Angriffe gegen nicht-IS-Gebiete. Aber wir haben nicht lange über die Bombardierung der „sicheren Stadt“ Aleppo getrauert - und das, obwohl die russische Intervention die große Flucht von Millionen Menschen zusätzlich angefacht hat.

Nach all diesen Militäroperationen haben viele von uns weiter daran geglaubt (und ich nehme mich da nicht aus), wir müssten Russland wirtschaftlich einbinden, damit es sich nicht gekränkt fühlt und sich vielleicht auch dem Westen weiter annähert. Am 5. September 2015 wurden die Verträge zum Bau von Nordstream 2 unterzeichnet.

Aber damit ist nun Schluss.

Diesmal können wir nicht mehr die Augen verschließen. Wir haben verstanden, dass die Ziele des kleinen Wladimir Wladimirowitsch sich nicht mehr darauf beschränken, dem flächenmäßig größten Land der Welt einen Platz in der ersten Reihe der Militärmächte zu sichern. Dies ist ein Stellvertreterkrieg. Auf dem Territorium der Ukraine kämpft ein autokratischer Herrscher gegen Freiheit, Demokratie und Toleranz.

Der kleine Wladimir hat Angst. Angst vor einem mutigen Volk, dass es sich nicht gefallen lässt, wenn die eigene Regierung gegen die eigenen Interessen handelt. So wie es die Ukrainer beim Euromaidan taten, als ihr eigener Präsident das fertige Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen wollte. Der Präsident musste flüchten, weil er sein eigenes Volk nicht unterdrücken konnte. Weil sein Volk mutig war und wusste, was es will. Das muss dem kleinen Wladimir einen riesigen Schrecken eingejagt haben. Was, wenn sich das russische Volk eines Tages gegen ihn erheben würde? Sein ganzes System würde zusammenbrechen.

Deswegen begann er einen großen Feldzug gegen alles, was nach Freiheit und Westen roch. Im eigenen Land ist ihm das weitestgehend gelungen, er hat die absolute Macht und sein Sicherheitsapparat und seine Justiz gehen massiv gegen alle Kritiker, Demonstranten und Freigeister vor.

Aber die Ukraine blieb ein Stachel in seinem Fleisch. Das eigene Brudervolk, welches den Russen zeigte, dass es auch für postsowjetische Völker einen westlichen Weg gibt.

Vor zweieinhalb Wochen fand in Turin der Eurovision Song Contest statt, und diese manchmal lächerliche, manchmal peinliche, nur gelegentlich hochwertige Veranstaltung zeigte auf ihre eigene Art Rückgrat. Russland war natürlich von der Teilnahme ausgeschlossen, dafür nahm das „Kalush Orchestra“ aus der Ukraine teil und spielte den schon etwas älteren Song „Stefania“, in dem es eigentlich um die eigene geliebte Mutter geht, dessen Text sich aber im Angesicht des Krieges auch neu interpretieren lässt. Es ist dieser Song hier:

Ist das ein guter Song? Die Kritiker meinten, dass es immerhin für die Top 5 reicht, zusammen mit den Beiträgen aus Großbritannien, Schweden, Spanien und Griechenland. Aber dann kam das Publikums-Voting. Was von vielen vorher schon erwartet worden war: Die Menschen quer durch Europa vergaben für den fetzigen Folk-Hiphop-Song nicht nur Musik-Punkte, sondern auch ganz, ganz viele Sympathiepunkte. 439, um genau zu sein. Im Jahr zuvor hat es die Band aus Italien nur auf 318 Publikumspunkte gebracht.

Warum erzähle ich das so ausführlich? Weil dieser Song Contest eines von vielen Symbolen für unsere Freiheit, für unsere Lebensweise ist. Vielleicht ein bisschen überflüssig, aber offen für alle. Hier kann eine Conchita Wurst genauso gewinnen wie Schock-Rocker aus Finnland oder ein leises Liebeslied wie Lenas „Satellite“ am Tag meiner Hochzeit. Der ESC ist bunt und frei, eine fröhliche Party für alle. So vielfältig wie Europa eben ist. Das muss man nicht mögen, aber dann schaltet man eben einen anderen Sender ein.

Wenn man sich das Herumgeeier einer FIFA oder eines IOC im Umgang mit Diktaturen ansieht, dann ist mir die Spaßparade mit Herzen für die Ukraine tausendmal lieber als Winterspiele 2014 in Sotschi oder eine Fußball-WM 2018 in Russland.

Würde es Putin gelingen, die Ukraine zu erobern, so wäre seine Gier damit nicht gestillt. Er würde weiter daran arbeiten, unsere Lebensweise anzugreifen, mit Propaganda und vielleicht auch mit Waffen.

Das haben wir verstanden. Das wollen wir nicht. Nicht für uns, und nicht für die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer. Lasst uns diesen Menschen helfen, mit Spenden gleich hier und heute, mit Unterstützung für die hier her geflohenen und, ja, auch mit Waffen für die ukrainische Armee, denn die Freiheit Deutschlands wird in diesem Jahr nicht mehr am Hindukusch verteidigt, sondern im Donbass.

Dieser Krieg wird wohl nicht in einer Woche oder einem Monat zu Ende sein. Machen auch wir weiter, treffen wir uns wieder hier am nächsten Mittwoch.

13. April

Am 13.4. durfte ich einige Worte zum Stand dieses unnötigen, brutalen Krieges sagen. Hier die komplette Rede:

Warum stehen wir hier?

Wir stehen hier, weil vor sieben Wochen der russische Präsident seiner Armee den Überfall auf die Ukraine befohlen hat. Weil das ein völlig unbegründeter Angriffskrieg ist, dem schon Tausende Menschen zum Opfer gefallen sind und der Millionen in die Flucht getrieben hat.

Ok. Aber warum stehen Wir. Hier.?

Was bringt es, wenn wir hier sind, die Fahne der Ukraine hochhalten, Kerzen anzünden, Lieder singen?
Ob wir nun 20, 200 oder 2000 sind, den Herrscher im Kreml wird das sicher nicht beeindrucken.

Unsere westliche Welt war beim Angriff auf Georgien ratlos.
Bei der Rettung des Assad-Regimes haben wir nur unsicher mit den Füßen gescharrt - trotz des Einsatzes von Chemie-Waffen, Streubomben und der Bombardierung von Flüchtlingslagern.
Als er die Krim im Handstreich annektierte und die Separatisten in der Ostukraine militärisch, logistisch, finanziell und propagandistisch unterstützte - da haben wir betreten zur Seite geschaut und gemurmelt: „Tja, schlimm, was soll man schon machen.“
Ich auch.
Von Tschetschenien ganz zu schweigen.

Rede am 13.4.2022

Doch nun wurde eine rote Linie überschritten. Zum ersten Mal haben wir alle merken müssen, dass der autokratische Herrscher in Moskau auch uns bedroht, unsere Freiheit, unsere Demokratie, unsere Art, zu leben. Das Fass war voll, und nun ist es übergelaufen.

Wir stehen vereint hinter der Ukraine. Mit einem Mal ist uns allen klar geworden: Das muss aufhören.
Wir können nicht zulassen, dass das Recht des Stärkeren wieder die Oberhand gewinnt. Regierungen, Medien und wir alle hier - die Menschen stehen vereint und haben verstanden: Mit diesem russischen Präsidenten kann es keine Versöhnung mehr geben, keine Deals, keine Verträge, keine geregelten Beziehungen.

Das Alles wäre aber nutzlos ohne die vielleicht größte Überraschung: Den unfassbar tapferen und äußerst effizienten Widerstand der Menschen in der Ukraine selbst. Sie sind es, die sich den Panzern in den Weg stellen, die Truppenbewegungen auskundschaften, die Infrastruktur immer wieder reparieren und in Schuss halten. Sie sind es, die in Angst und Schrecken versetzt werden, aber nicht aufgeben. Nach Zahl der Panzer, Flugzeuge und Raketen ist die ukrainische Armee unterlegen. Aber sie macht das mehr als wett mit der Kenntnis der Gegend, der Unterstützung der dort verbliebenen Bevölkerung, genialen Tricks und Fallen und einem ganz starken Glauben, dass sie es schaffen können, es schaffen müssen, die Freiheit ihres Landes zu bewahren. Ihre Hauptstadt Kiev haben sie weitgehend beschützen können, und nach dem Rückzug sehen wir nun, wie grausam, wie brutal die russische Armee vorgegangen ist.

Wir stehen hier, weil wir Teil einer sehr, sehr großen Gemeinschaft sind. Weil wir dies uns und allen die uns sehen können, zeigen wollen. Wir helfen. Wir unterstützen. Wir spenden. Wir tauschen uns untereinander aus.

Dieses Wir ist groß und umfasst so viele Menschen. Die Polen, die die allermeisten Flüchtlinge in ihrem Land aufgenommen haben, ohne Zögern, ohne Wenn und Aber. Oder Menschen hier in unserem Stadtteil, die in der Flüchtlingsunterkunft helfen. Die Spendengüter sammeln und verteilen. Die vielleicht sogar selber Flüchtlinge in ihren Häusern aufgenommen haben. Unsere russischen oder russischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger schließt das mit ein. Nachbarn von mir nutzen ihre Sprachkenntnisse, um geflüchteten Familien zu helfen. Wenn ich mit ihnen spreche, höre ich oft von familiären Bindungen auf beide Seiten der Grenze. Es gibt viele Familien, bei denen ein Teil in Russland und ein Teil in der Ukraine lebt.

Das hat noch nicht jeder verstanden. Am vergangenen Sonntag demonstrierten einige hundert Menschen hier in Frankfurt für Russland. Die Ankündigung las sich noch harmlos, denn es sollte ja gegen die Diskriminierung russischstämmiger Menschen in Deutschland gehen. Das Anliegen teile ich, denn die russischen Menschen hier können meist gar nichts für das, was der Menschenfeind im Kreml so beschließt.

Aber wenn es eine Demonstration für den Frieden war - warum hat man dann keine Friedenstauben gesehen, keine ukrainischen Fahnen neben den vielen, vielen russischen, sowjetischen, ja so gar zaristischen Fahnen?
Solche Demonstrationen führen am ehesten dazu, genau das herbeizuführen, wogegen man angeblich ist.
Aber wir sind stark. Wir lassen uns nicht spalten, sondern helfen weiter, so gut wir können.

In vielen Häusern werden nun Gespräche geführt, die wir uns letztes Jahr kaum hätten vorstellen können. „Papa, kommt der Krieg auch zu uns?“ Das kann ich zwar noch aus eigener Überzeugung verneinen, aber der Krieg ist uns schon viel näher als irgendwann sonst in den letzten Jahrzehnten. Ein Nachbar von mir ist Ukrainer. Seine Familie ist hier in Sicherheit. Er hat sich entschlossen, selber für die Freiheit seiner Heimat zu kämpfen, ist von Frankfurt in die Ukraine gereist und hat sich der Armee angeschlossen.

Hätte ich das auch getan? Hätte ich den Mut dazu? So etwas kann niemand von uns wissen.

Wie wird der Krieg ausgehen? Wann wird er enden? Auch das wissen wir nicht. Aber wir kennen jetzt schon sehr, sehr viele Verlierer dieses Krieges. Die Menschen, die in der Ukraine starben und noch sterben werden. Nicht nur Soldaten, sondern vor allem auch Zivilisten. Mütter. Großeltern. Kinder. Sogar KZ-Überlebende. Auch russische Wehrpflichtige, die losgeschickt wurden, das eigene Brudervolk zu überfallen. Viele, viele weitere Menschen sind obdachlos geworden, sind auf der Flucht. Die eigene Heimat zu verlieren kann einen Menschen sein Leben lang belasten. Während wir hier stehen, sterben nur 1700 km weiter östlich Menschen, verlieren ihr Heim vielleicht für immer, erleiden seelische Verletzungen, an denen sie lange werden tragen müssen.

Ich sprach gestern mit einer Freundin in Moskau. Sie selbst ist gut informiert und besorgt, aber ohmächtig, weil schon kleinste Demonstrationen sofort zu Verhaftungen führen. Am Kiewer Kriegerdenkmal stehenbleiben mit „Krieg und Frieden“ in der Hand? Verhaftung.
Aber sie erlebt viele Menschen, die den russischen Medien glauben und die Wahrheit nicht sehen können und auch nicht sehen wollen. Sie glauben immer noch, dass nur der Präsident sie vor einem Rückfall in die chaotischen Neunziger bewahrt. Diesen Glauben mit allen Mittel zu bestärken ist ein Verrat des Präsidenten an seinem eigenen Volk.

Die mit großem Abstand größten Opfer tragen in diesem Krieg zweifellos die Menschen in der Ukraine, ob sie nun dort ausharren und kämpfen oder fliehen mussten. Zu leiden haben unter diesem Krieg aber auch die Menschen in Russland, denn sie werden zu Komplizen eines verbrecherischen Regimes, dass auch sie selbst unterdrückt. In einigen Jahren werden sich viele dort fragen müssen, ob sie nicht auch mehr hätten tun können, tun müssen. In Deutschland haben wir lernen müssen, mit der eigenen Verantwortung umzugehen. Das russische Volk wird dies eines Tages auch tun müssen.

...

Ich sprach von der großen Gemeinschaft von Menschen, die spüren, dass wir jetzt alle zusammen stehen müssen um der Ukraine zu helfen. Zu dieser Gemeinschaft gehört auch der Ukrainische Musiker Andrij Khlyvnyuk und ... Pink Floyd. Khlynyuk hat seine US-Tournee abgebrochen und ist nach Hause gereist um mitzukämpfen. Sein Lied vom roten Schneeballstrauch, der umgeknickt wurde und dem wir helfen müssen, sich wieder aufzurichten, wird von neuer Musik von Pink Floyd untermalt. Die Alt-Musiker aus England tun so etwas schon lange nicht mehr, sie haben nicht gegen Trump oder den Klimawandel musiziert, doch nun helfen sie einem ukrainischen Musiker auf ihre Weise.

Der Text ist schlicht: „Auf der Weide liegt ein roter Schneeballbusch darnieder. Aus irgendeinem Grund wird unsere glorreiche Ukraine so bedrängt. Doch wir nehmen diesen roten Strauch und richten ihn auf. Und wir, unsere glorreiche Ukraine, hey hey, soll auferstehen und frohlocken.“

Der Krieg wird wohl nicht in einer Woche zu Ende sein. Machen auch wir weiter, treffen wir uns wieder hier.

rb


Die nächsten Termine:

  • Do., 8.2.2024, 19:00: Stadtteilgruppentreffen
  • Mo., 12.2.2024, 09:00: Antragsschluss OBR 12
  • Fr., 23.2.2024, 19:30: Ortsbeiratssitzung
  • Fr., 1.3.2024, 19:00: Stadtteilgruppentreffen